roland gaugele
Der Märklin Museumsraub
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© 2012 roland gaugele

Museumsraub

Der Einbruch ins Märklin Museum in der Nacht vom 17. auf den 18.1.2005 und der Diebstahl wertvoller historischer Exponate erschütterte nicht nur Märklin, sondern die ganze Blechspielzeugsammler- und Modelleisenbahn-Szene. Über 2 Monate wurde gemutmaßt, verdächtigt und gesucht. Die Empörung in der Szene war auf Börsen und bei Versteigerung deutlich zu spüren. Die angebotenen Hilfen und die Hinweise die bei der Kripo und der Firma eingingen waren beispiellos. Das Diebesgut war in Deutschland nicht abzusetzen. Die Einbrecher und Hehler suchten ihr „Heil“ im benachbarten Ausland. Was sie nicht wissen konnten: bei Interpol in Wien genießen die Erzeugnisse von Märklin höchste Wertschätzung. Einige der Sonderermittler der Wiener Kripo sind selbst Märklin-Enthusiasten. Der Fall wurde für sie zum persönlichen Anliegen und die Täter schließlich gefaßt.

 

Auszug aus dem Buch "Die Legende lebt", Klartext Verlag, Essen (ISBN-Nr. 978-3-8375-0129-2). Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers.

Der Museumsraub in der Nacht vom 17. auf den 18.1.2005

Der Museumsleiter hatte eben am Frühstückstisch Platz genommen, die Zeitung aufgeschlagen, da läutete das Telefon. Anrufer war der Vorsitzende der Geschäftsleitung von Märklin. Das verhieß nichts Gutes. Sehr selten rief er privat an und schon gar nicht am frühen Morgen. Die Nachricht  war niederschmetternd und an Frühstück und Zeitung lesen nicht mehr zu denken. Trotz Alarmanlage und belebter Straße war in der Nacht ins Märklin-Museum in der Göppinger Holzheimer Straße eingebrochen worden. Viele Fragen und Befürchtungen türmten sich auf, was fehlt, sind die wertvollen Leihgaben der Sammler noch da, wie viel wurde gestohlen, was wurde beschädigt, gibt es Hinweise oder Spuren und so fort? Kurze Zeit später war er am „Tatort“, die Kriminalpolizei war schon mit der Spurensicherung beschäftigt und ihm bot sich ein schlimmes Bild. Viel schlimmer als er befürchtet hatte. Die Notausgangstür war beschädigt, Vitrinen brutal aufgebrochen und das massive, über einen Zentimeter starke Glas aufgehebelt und zerbrochen. Auch an der eingebauten und eigentlich diebstahlsicheren Vitrinenwand gab es Einbruchspuren. Die komplette historische Spur I, die Spur 0, die Spur 00 vor 1945, Dampfmaschinen, Antriebsmodelle und besonders tragisch, die wertvollen Schiffe „Auguste Victoria“ und „Mecklenburg“ und der höchst seltene Leuchtturm fehlten. Die Spuren ließen Böses ahnen. Die wertvollen Figuren der Schiffe, der Kapitän der „Auguste Victoria“ hatte in gutem Zustand auf Auktionen auch schon eine 4-stellige Eurosumme erreicht, wiesen den Weg zur Nebenpforte. Teilweise zerbrochen in Fragmenten, eine Figur , ein Matrose, sogar komplett, lagen sie und gaben Zeugnis über welchen Weg die Exponate das Firmengelände verlassen hatten. Sammler oder Kenner der wertvollen Stücke konnten die Einbrecher nicht gewesen sein. Der Verdacht, die „Beute“ wurde unsachgemäß und grob behandelt und transportiert, kam auf. Der komplette, die Firma umgebende Zaun wurde daraufhin sehr sorgfältig abgesucht, weitere Spuren aber nicht gefunden. Wegen der Menge der Beute, es fehlten 184 Stücke wurde vermutet, dass ein LKW das Fluchtfahrzeug gewesen sein müsste.

Die große und sehr wertvolle Dampfmaschine und die Spur V Wagen waren wohl zu groß und sperrig, sie waren noch da, ebenso die große Standuhr mit Zifferblättern nach 4 Seiten und sogar das Platinkrokodil. Deren Werte wurden von den Verbrechern nicht erkannt.  Standuhren gleicher Bauart haben auf Auktionen schon Werte über 15.000 € erreicht. Die Kriminalpolizei sicherte Spuren am und um den Tatort. Erschwerend für die Präparierung und Sicherung von Fingerabdrücken und DNA-Spuren war der Publikumsverkehr im Museum tags zuvor. Der Reinigungsdienst kam immer morgens vor Öffnung des Museums. An diesem Tag allerdings umsonst. Täterspuren und Spuren der Vortagsbesucher waren vermischt und nicht eindeutig bestimmbar. Durch Manipulation beschädigt und unbrauchbar gemacht war der Bewegungsmelder an der Notausgangstür. Dadurch konnten die Eindringlinge mit einem schmalen, langen Werkzeug den Türfalz durchdringen und die Türklinke nach unten drücken. Geräuschlos ging die Tür auf. Die nach Vorschrift permanent eingeschaltete Notbeleuchtung gab genügend Licht für das böse Werk. Sicherheitshalber hatte das, wie sich später herausstellte, Einbrechertrio vom Flachdach des Gebäudes aus, die außen liegende Alarmanlage mit Sirene und Blinklicht durch Ausschäumen mit Bauschaum wirkungslos gemacht. Die schwere Metalltür war in der vorgeschriebenen Sicherheitsklasse, hatte außen keine Klinke und sah an der Gebäudefassade nicht wie eine Tür aus. Trotzdem wussten die Diebe genau, wo sie ansetzen mussten. Die Rekonstruktion des Vorgangs ergab, dass sie bereits Tage zuvor recherchierten und manipulierten. Die Alarmanlage ging am Wochenende zuvor mehrmals los. Gründe dafür wurden nicht gefunden, weshalb am Montag, dem 17.1.2009 schließlich der Service für die Alarmanlage gerufen wurde. Laut Vertrag musste dieser nach Bestellung innerhalb 24 Stunden den Fehler beheben. In diesem Falle waren die 24 Stunden eine zu lange Frist, denn der Servicetrupp für die Alarmanlage traf fast zeitgleich mit der Kriminalpolizei ein und statt der Inbetriebnahme der Alarmanlage war Spurensicherung angesagt.

Auf Geheiß der Kriminalpolizei durfte der Einbruch nicht sofort kommuniziert werden. Erst am Nachmittag ab 15.00 Uhr konnte die Öffentlichkeit über den schlimmen Vorgang in Kenntnis gesetzt werden. Sowohl die Kriminalpolizei als auch die Märklin Presseabteilung gaben eine Pressemitteilung heraus. Der Museumsleiter war in Personalunion gleichzeitig Pressesprecher und formulierte außer dem Schadenswert und der Anzahl der gestohlenen Museumsstücke auch den dann von fast allen Medien aufgegriffenen Satz „... Märklin wurde die Geschichte gestohlen ...“.Besonders tragisch und schmerzlich war der Verlust des „Storchenbeins“, der ersten Lokomotive der Modellbahngeschichte. Die Lokomotive in Cramptonbauart war zwar nicht das wertvollste Stück, dafür aber in der Darstellung der Firmengeschichte das unverzichtbare Exponat. Sofort wurde die Inventurliste mit den noch verbliebenen Ausstellungsstücken abgeglichen. Die Liste mit den entwendeten Exponaten blieb übrig. Allein die Zahl der entwendeten Exponate war erschreckend hoch, 184 Stück, doch noch schockierender war deren Qualität und Wert. Unbenützte, annähernd fabrikneue Produkte der fast 150jährigen Firmengeschichte waren weg. Ein nicht wiederzubeschaffender Teil der Firmengeschichte war einfach fort. Die Hochrechung des Versicherungswertes ergab die Summe von rund 1,7 Millionen Euro.

Alle namhaften Medien waren plötzlich am Ort des bösen Geschehens. Interviews wurden gegeben, Bilder der gestohlenen Stücke weitergegeben und es gab erste Vermutungen und Verdächtigungen. Der mysteriöse, unbekannte Auftraggeber für die Tat, war der Dreh- und Angelpunkt aller Spekulation.

Parallel zu der Arbeit wurde die Diebstahlsliste auf der firmeneigenen Homepage im Internet veröffentlicht. Die Resonanz und Anteilnahme im Kreis der Märklinfreunde und Sammler hat in der Folge die Firma nahezu überrannt. Täglich kamen Hinweise in Form von Anrufen, Briefen und Mails, denen alle nachgegangen werden mussten. Der Museumsleiter als Kenner der Stücke hatte Tag für Tag einen guten Teil seiner Arbeitszeit zu tun, die Hinweise zu bewerten und an die Kriminalpolizei weiterzuleiten. Nicht nur aus Deutschland und Europa kamen Hinweise, auch aus den USA und von Australien wurde angerufen. Aus Amerika, nahe der kanadischen Grenze, kam die Meldung von einem Leuchtturm, der in der mündlichen Beschreibung dem gestohlenen Blechteil so gut wie entsprach. Das war eine auf den ersten Blick heiße Spur, der nachgegangen werden musste, obwohl die Mutmaßungen aus Fach- und Kennerkreisen in andere Weltgegenden zeigten. Hoch gehandelt  wurden Osteuropa, Spanien, Italien und ein Auftraggeber in Deutschland. Sehr beunruhigend war die Vermutung, dass die Ware bereits im Ausland wäre. Trotzdem wurde ein Bild des Blechturms angefordert. Das vorliegende Bild brachte Entwarnung. Nicht nur Details auch die ganze Bauart des Leuchtturms schloss ihn, als zur Beute gehörend aus.

Nicht nur Hinweise kamen aus der Bevölkerung, auch Bilder, Dias und Bild-CDs von früheren Museumsbesuchen, so dass eine vielfältige Darstellung der gesuchten Artikel möglich war. Ein besonderer Motivationsschub zur Mitarbeit an der Aufklärung war die sofort ausgelobte Belohnung für Hinweise zur Ergreifung der Täter in Höhe von 200.000 Euro.

Der Einbruch war Thema in allen wichtigen Radiosendern, im Öffentlich Rechtlichen Fernsehen, bei Privaten Fernsehsendern und in allen wichtigen Zeitungen. Sogar von Programmunterbrechungen nach Bekanntgabe des Einbruchs wurde berichtet.

Die veröffentlichte Liste der gestohlenen Stücke, die im Verlauf der Zeit immer weiter mit Bildern der Exponate ergänzt wurde, hatte auch Einfluss auf das Geschehen auf Blechspielzeugbörsen und Auktionen. Von einem Börsenhändler wird berichtet, der einen Budweiser Spur I-Wagen im Angebot hatte, dass er diesen, wenige Tage nach dem Einbruch gar nicht erst anbot, sondern in der Kiste unter dem Tisch beließ. Ein Hinweis auf eine Auktion schien interessant zu sein. Die französische Dampflokomotive „Coup Vent“ mit Windschneideführerhaus in der relativ seltenen Uhrwerkausführung in der Spur I stand zum Verkauf. Doch ein genauer Vergleich mit den Bildern der gestohlenen „Coup Vent“ schloss eine Identität sicher aus. Details und Gebrauchsspuren wiesen sie als völlig andere Lokomotive aus.

Plötzlich ein Anruf bei der Geschäftsleitung der Firma. Der Anrufer bot die Rückgabe bei Zahlung einer bestimmten Summe, bei Ausschluss der Polizei und natürlich der absoluten Verschwiegenheit an. Mehrere Telefonate folgten und schließlich der Zugriff der Kriminalpolizei. Ein enttäuschtes Mitglied einer Einbrecherbande, die im Vorfeld schon über einen möglichen Museumseinbruch gesprochen hatte, verdächtigte seine Kumpane, an ihm vorbei die Tat ausgeführt zu haben. Er wollte sich rächen und den Coup auffliegen lassen. Doch der Verdacht war falsch, die Bande hatte mit dem Einbruch nichts zu tun. Dafür kam die Kriminalpolizei im Verlauf der Ermittlungen zu dem Hinweis, auf die Spur der lange gesuchten so genannten „Harley-Bande“. Der Diebstahl vieler Harley-Davidson-Motorräder wurde aufgeklärt und die Diebe festgenommen.

Nach sechs Wochen kam wieder ein viel versprechender Anruf. Diesmal aus Wien, von Interpol. Hoffnung kam auf, denn am Vorabend des Einbruchs fiel einem Kriminalbeamten der Kripo Göppingen bei einem Besuch des Märklin Museums, ein Auto mit Wiener Autokennzeichen auf. Er erinnerte sich am anderen Tag nach Bekanntgabe des Einbruchs an dieses Autokennzeichen und ein Fahndungsersuchen ging von Göppingen aus nach Wien. Interpol Wien war einbezogen und konnte mögliche künftige Spuren und Hinweise, die vielleicht sonst nicht die Einordnung erfahren hätten, richtig bewerten. Das fragliche Auto, dessen Kennzeichen den Ausschlag für das Fahndungsersuchen ergab, war zufällig in Göppingen und hatte, das ergaben die Ermittlungen in Wien, absolut nichts mit dem Museumsraub zu tun.

In Wien wurde eine größere Sammlung an Blechspielzeug, es könnte Märklin sein hieß es, angeboten. Ein Spezialist, der die historischen Stücke einordnen kann, wurde gesucht. Ein Spezialist und Kenner der Ausstellungsstücke des Märklin Museums war deren Leiter und Pressesprecher der Firma Märklin. Er musste sich fortan bereithalten und jederzeit nach Wien fliegen können. Wenige Tage nach dem ersten Anruf war es soweit. Der erste Termin stand und seine Präsenz in Wien war nötig. Tatsächlich, die ersten übergebenen Stücke konnten von ihm zweifelsfrei als Märklin-Museums-Stücke identifiziert werden. Die Fahndung in großem Stil begann. Allein in Österreich waren rund 100 Kriminalpolizeibeamte fortan im Einsatz. Es wurde observiert, beobachtet und verfolgt und Übergabetermine und Übergabeorte ermittelt. Bei der dritten Übergabe griff Interpol zu. In Österreich und in Deutschland, einer der Einbrecher und 4 Hehler, darunter eine Frau, wurden festgenommen. Leider fehlten rund 20% des Diebesguts. Darunter die Schiffe, ein Teil des Spur I-Storchenbeins und weitere wertvolle Stücke. Die blieben verschwunden, bis 2 Tage später die italienische Polizei zwei des Menschenschmuggels verdächtigte Personen kurz vor der slowenischen Grenze festgenommen hatte. In ihrem Fluchtfahrzeug, einem Fiesta, fanden sich die restlichen, wertvollen Teile aus dem Märklin-Museumsraub. So gut wie die komplette gestohlene Sammlung war wieder da. Tragisch war der Zustand der einzelnen Teile. Sie waren teilweise zerkratzt, Blechteile verformt und Details abgebrochen. Ein Schaden von rund 350.000 Euro war zu beklagen. Aber Märklin hatte „ seine Geschichte wieder“ und ein Ende der Zeit „der leeren Vitrinen“ des Museums war abzusehen. Schon wenige Wochen nach der Klärung des Falls und der Spurensicherung wurden die in Wien beschlagnahmten Teile per Polizeischutz ins Märklin Museum zurückgeführt. Die in Italien beschlagnahmten Stücke benötigten fast ein ganzes Jahr bis zur Rückkehr. Auch die beiden festgenommenen Einbrecher wurden erst nach einem Jahr von Italien ausgeliefert. Der Prozeß gegen die Einbrecher wurde deshalb von Landgericht Ulm in zwei Verhandlungen geteilt. Der Haupttäter wurde zu 6 ½ Jahren, der Mitläufer zu 4 ½ Jahren und der Dritte mangels an Beweisen zu einer Bewährungsstrafe wegen Hehlerei verurteilt.

Autor: Josef Roland

Der Eindruck am 18. Januar 2005: beschädigte Einrichtungen

und leere Vitrinen.

Nach zwei Monaten kam die gute Nachricht: Diebe gefasst, Stücke sichergestellt.

Das "Storchenbein", die älteste Lokomotive der Modellbahngeschichte, ist wieder da. Leider blieb der Tender der Uhrwerk-Dampflokomotive von 1891 verschwunden. Er fand sich im Diebesgut, das später in Italien beschlagnahmt wurde, wieder.

Die Reisetasche war eine von sieben "Transportbehältern" für die empfindliche Ware. Die beiden Metallbaukastenautos 1101 von 1935 kommen zum Vorschein.

In einem Koffer fand sich die Spur 0-Strassenbahn "Third Avenue".

Einer der ersten Bierwagen, der "Budweiser" in Spur 1 von 1910.

Der gedeckte Güterwagen in Spur 1 "New York Central Lines" (N.Y.C.L. & R.R.) wurde ohne Dach beschlagnahmt.

Nach der Beschlagnahme wurden die Exponate dokumentiert. Die Spur 1-Dampflokomotive mit Uhrwerkantrieb "Coup Vent" von 1909 wurde als Nummer 46 fotografiert.

Das "Storchenbein", ohne Tender, hatte die Nummer 116.

Der Märklin Heißluftmotor mit Artikelnummer 4178/8 von 1920 wurde nur leicht beschädigt.

Die Spur 0-Dampflokomotive P.L.M. mit Artikelnummer H 64/13020 von 1926 weist seither starke Lackschäden auf.

Das "Märklin-Wappentier" in Spur 0, das "Krokodil" mit Artikelnummer CCS 66/12920, wurde ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Deformierte Pantographen, verbogene Treppen und Lackschäden blieben als Spuren des Einbruchs. Sammlern ist die Lokomotive in gutem Zustand bis zu 25.000 € wert.